Postkarten als Protest gegen das Sterben im Mittelmeer

Postkarten als Protest gegen das Sterben im Mittelmeer

Quelle: Pro Asyl / ÖVA zur IKW

"Wir brauchen einen Plan" - das ist der Titel einer neuen Kampagne der Bundesarbeitsgemeinschaft PRO ASYL. Dabei sollen möglichst viele Protestpostkarten an die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt werden mit der Aufforderung, das Sterben im Mittelmeer zu stoppen. Die Aktion kann gut im Rahmen der Interkulturellen Woche aufgegriffen werden, zum Beispiel am "Tag des Flüchtlings" am 27. September. 

Denn immer noch ertrinken Menschen im Mittelmeer – und wenn sie von privaten Seenotretter*innen davor bewahrt werden, wiederholt sich das gleiche unwürdige Schauspiel: Die Schiffe kreuzen wochenlang auf dem Meer, bis die EU-Staaten sich zu einer Lösung durchringen. Es muss endlich eine europäische Initiative zur Rettung & Aufnahme von Flüchtlingen geben!

Das Risiko, auf der Flucht über das zentrale Mittelmeer zu sterben, wird größer und größer. 2015 bis 2018 ertranken dort 12.748 Menschen – und das sind nur die offiziell registrierten Todesfälle. Für dieses massenhafte Sterben ist die Europäische Union mitverantwortlich. EU-Staaten wie Italien verhindern die zivile Seenotrettung und sperren ihre Häfen. Schiffe dürfen gerettete Menschen nicht an Land bringen.

Gleichzeitig finanziert die EU die so genannte libysche Küstenwache. 2017 und 2018 haben Warlords und Menschenhändler im Interesse der EU mehr als 30.000 Bootsflüchtlinge auf dem Meer aufgegriffen. Im Rahmen von Patrouillen wird Gewalt gegen Männer, Frauen und Kinder angewendet, Flüchtlinge werden zurück nach Libyen gebracht und dort eingesperrt. Laut UN-Berichten wird in den libyschen Haftlagern erpresst, gefoltert, vergewaltigt und gemordet. Angaben und Schätzungen über die Zahl der inhaftierten Flüchtlinge schwanken stark und sind schwer zu verifizieren – vermutlich sind es Zehntausende.

Dieses Vorgehen verstößt sowohl gegen das Folterverbot in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), als auch gegen das Refoulement-Verbot in Art. 33, Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Durch das Delegieren an die "libysche Küstenwache" versucht die EU aber, das zu umgehen.

Die Europäische Union kann und darf sich ihrer menschen- und völkerrechtlichen Verpflichtung aber nicht entziehen. Sie baut darauf auf, dass sich Bürgerinnen und Bürger ebenso wie geflüchtete Menschen auf unveräußerliche Rechte berufen können. Dazu zählt das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit ebenso wie das Folter- und das Refoulement-Verbot. Dazu zählt die Pflicht zur Seenotrettung und zur Ausschiffung geretteter Menschen in sichere Häfen.

Um diese Verpflichtungen umzusetzen, muss sich eine Koalition aufnahmebereiter EU-Staaten zusammenfinden, die den Notfallplan für die Aufnahme von Bootsflüchtlingen untereinander organisiert. Die einzelnen ineinander greifenden Schritte des Plans:

1. Die Europäische Union muss unverzüglich einen eigenen flächendeckenden Seenotrettungsdienst aufbauen

2. Die Blockade und Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung muss ein Ende haben.

3. Die Zusammenarbeit mit der »libyschen Küstenwache« und der damit verbundene fortlaufende Völkerrechtsbruch im Mittelmeer muss sofort gestoppt werden. In Libyen festsitzende Flüchtlinge müssen umgehend evakuiert und in der EU in Sicherheit gebracht werden.

4. Es dürfen keine Abkommen mit Staaten außerhalb der EU geschlossen werden, um Flüchtlinge dort festzusetzen oder von der EU aus zurückzuschieben. Ausschiffungen in nordafrikanische Häfen darf es nicht geben.

5. Es müssen sichere und legale Fluchtwege nach Europa geschaffen werden (humanitäre Visa, Resettlementprogramme, Familienzusammenführung, etc.) – dies gilt auch für die Familienangehörigen von Kriegsflüchtlingen.

6. Bootsflüchtlingen ist nach der Anlandung in einem sicheren europäischen Hafen eine menschenwürdige Aufnahme und der Zugang zu einem fairen Asylverfahren in einem EU-Mitgliedsstaat zu gewähren. Dies gilt auch für alle Schutzsuchenden, die auf anderen Wegen Zugang zur Europäischen Union finden.

7. Hotspots und Transitzentren an den Außengrenzen der EU sind Orte der Inhumanität und Rechtlosigkeit, sie müssen geschlossen werden. Die Inhaftierung schutzsuchender Menschen ist sofort zu beenden.

8. Die Verteilung angekommener Flüchtlinge in den kooperierenden EU-Staaten muss einem festgelegten Solidarmechanismus folgen und darf nicht mehr von Fall zu Fall ausgehandelt werden. Schutzsuchenden mit familiären Bindungen wird die Weiterreise zu ihren Angehörigen ermöglicht.

9. Zahlreiche Städte, Regionen und Gemeinden in Deutschland und Europa haben bereits ihre Aufnahmebereitschaft signalisiert. Für sie muss die Möglichkeit geschaffen werden, Bootsflüchtlinge in Rahmen eines Relocation-Programms aufzunehmen.

Um die verantwortlichen Politiker*innen zum Handeln zu bewegen, hat PRO ASYL eine Postkartenaktion an die designierte Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, gestartet. Die Postkarten können HIER bestellt werden!