Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF)
Lediglich ein Bruchteil des psychosozialen Versorgungsbedarfs von Menschen, die vor Folter und schwerer Gewalt nach Deutschland geflüchtet sind, kann gedeckt werden: Nur 3,3 Prozent erhalten die dringend benötigte Unterstützung. Das zeigt der Bericht "Flucht und Gewalt. Psychosozialer Versorgungsbericht 2025" der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF). Ein Schwerpunkt des Berichts beleuchtet in diesem Jahr die zunehmend brutale Gewalt, der Geflüchtete an Europas Außengrenzen ausgesetzt sind – einschließlich der schwerwiegenden Folgen für geflüchtete Menschen und das Unterstützungssystem in Deutschland.
Ein wesentlicher Grund für die eklatante Unterversorgung ist die unzureichende Finanzierung der Psychosozialen Zentren (PSZ). Yukako Karato, Referentin für Versorgungsanalyse bei der BAfF, kritisiert die politische Schieflage: "Es fehlt an einer stringenten Priorisierung von Rehabilitationsmöglichkeiten für Überlebende von Folter und schwerer Gewalt. Für das Jahr 2025 stellt die Bundesregierung lediglich 11 Millionen Euro für diese Arbeit bereit – etwa ein Zehntel dessen, was für rechtswidrige Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen ausgegeben wird. Das Gesundheitssystem muss weiterentwickelt werden, um die Bedarfe unserer vielfältigen Gesellschaft abzudecken."
UN-Antifolterkonvention: Deutschland muss Versorgung sicherstellen
Deutschland steht völkerrechtlich in der Pflicht, Überlebenden von Folter Zugang zu Schutz und Rehabilitationsleistungen zu gewähren. Die UN-Antifolterkonvention – vor 38 Jahren in Kraft getreten – verpflichtet die Staaten nicht nur dazu, Folter zu verhindern und zu bestrafen. Sie verlangt auch, dass Überlebende angemessene Hilfe erhalten. Folterüberlebende haben ein Recht auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Rehabilitationsleistungen.
"Dass Folterüberlebende in Deutschland kaum Zugang zum Gesundheitssystem haben, ist ein eklatanter Bruch internationaler Verpflichtungen", mahnt Lukas Welz, Geschäftsleiter der BAfF. "Werden die jetzt anstehenden Reformen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) nicht menschenrechtskonform umgesetzt, dann drohen weitere Schutz- und Versorgungslücken."
Damit Überlebende von Folter ihr Recht auf Rehabilitation wahrnehmen können, muss dieses Recht klar im nationalen Recht verankert sein. Die Vertragsstaaten müssten staatlich finanzierte Rehabilitationsprogramme etablieren, die diskriminierungsfrei zugänglich, nachhaltig und auf die komplexen Bedürfnisse der Überlebenden ausgerichtet sind.
Versorgungsstruktur ohne Rechtsgrundlage: PSZ kompensieren staatliche Lücke
Die Psychosozialen Zentren für Geflüchtete bieten die von der Konvention empfohlenen Rehabilitationsleistungen seit Jahrzehnten an – unabhängig vom Aufenthaltsstatus und unter Einbezug von Psychotherapie, Sozialarbeit, Rechtsberatung und Sprachmittlung.
- 2023 wurden bundesweit 29.180 geflüchtete Menschen in den Psychosozialen Zentren versorgt – so viele wie noch nie. Dennoch entspricht dies lediglich 3,3 Prozent derjenigen, die potenziell auf psychosoziale Hilfe angewiesen wären.
- Lediglich 5,7 % der Finanzierung der PSZ stammen aus Mitteln von gesetzlich verankerten Leistungsträgern (Sozialämter, Krankenkassen, Jugendämter), 16,6 % aus Bundesmitteln.
Die BAfF appelliert an die politisch Verantwortlichen, grundlegende strukturelle Veränderungen umzusetzen, um die Versorgungslücke zu schließen:
- Voller Zugang zu Gesundheitsleistungen ab dem ersten Tag: Einführung der Krankenkassenkarte für alle Geflüchteten in allen Bundesländern.
- Sprachmittlung gesetzlich absichern – im sozialen, rechtlichen und gesundheitlichen Bereich für Menschen ohne oder mit geringen Deutschkenntnissen.
- Nachhaltige Finanzierung der Psychosozialen Zentren: Flächendeckend, bedarfsorientiert und dauerhaft gesichert durch Bund und Länder.
- Menschenrechtskonforme Umsetzung der GEAS-Reformen in nationales Recht: Systematische Identifizierung und Versorgung besonders vulnerabler Geflüchteter durch ein flächendeckendes, zielgruppenübergreifendes und systematisches Konzept.
- Fortbildung von Fachkräften in diskriminierungssensibler und menschenrechtsorientierter Arbeit im Gesundheits-, Sozial-, Rechts- und Behördenwesen , unter anderem durch Integration entsprechender Inhalte in Ausbildungscurricula.
Hintergrund
Die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) ist ein Netzwerk von 51 Zentren, das seit Jahrzehnten Überlebende von Folter und Gewalt unterstützt. Die multiprofessionellen Angebote umfassen Psychotherapie, soziale Beratung, Rechtsbeistand und medizinische Versorgung. Der jährlich erscheinende Versorgungsbericht der BAfF ist die einzige konsolidierte Erhebung zur psychosozialen Versorgung von Geflüchteten in Deutschland. Er dokumentiert detailliert die aktuelle Versorgungssituation und formuliert Empfehlungen zur Umsetzung einer menschenrechtskonformen Gesundheitsversorgung.