Migrationsberatung in Zeiten der Pandemie: Online-Angebote nehmen an Bedeutung zu

Bei der Caritas können sich zugewanderte und geflüchtete Menschen auch online anonym und kostenfrei beraten lassen. Screenshot: Caritas
Migrationsberatung in Zeiten der Pandemie: Online-Angebote nehmen an Bedeutung zu
Bei der Caritas können sich zugewanderte und geflüchtete Menschen über das Internet beraten lassen – Ein Beispiel aus Gladbeck
Julia Gestrich

"Ich bin zuversichtlich, dass sie in Zukunft immer häufiger genutzt werden wird." Die Diplom-Pädagogin Ankica Ljubas-Vranjković ist in der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) beim Caritasverband Gladbeck e.V. tätig und beschreibt sich als großen Fan der Online-Beratung.

Seit Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 können sich nach Deutschland zugewanderte und geflüchtete Menschen bei der Caritas auch online anonym, datensicher, kompetent und kostenfrei beraten lassen. Fragen zu Aufenthalts- und Asylrecht, Sprachkursen, Existenzsicherung, Arbeitssuche, Familienzusammenführung, Behandlung von Gewalttraumata, Wohnungssuche, Einbürgerung etc. werden abgedeckt.

Seither sind im Bereich Migration bundesweit 509 Caritas-Berater_innen in 155 Beratungsstellen digital im Einsatz (Stand: Ende Januar 2021). Um sich bei der Online-Beratung zu registrieren, wählen die Ratsuchenden einen Fachbereich aus, geben ihre Postleitzahl und einen Login-Namen an, und dann sind sie dabei. Bei der Erstanfrage erhalten sie innerhalb von 48 Stunden eine Antwort. Bei Bedarf können sie problemlos zwischen Online- und Präsenzberatung hin- und herwechseln. Mit ihrem Account können die Ratsuchenden zusätzlich auch andere Fachbereiche der Caritas Online-Beratung in Anspruch nehmen, etwa die Schuldner- oder Schwangerenberatung.

Vorteile in der Corona-Zeit und darüber hinaus

Ljubas-Vranjković und ihr Kollege vom Caritasverband Gladbeck e.V. sind seit Herbst vergangenen Jahres bei der Caritas Online-Beratung dabei und sehen sie als große Chance. Bereits 2019 ist die MBE des Ortsverbandes auf Empfehlung des Diözesancaritasverbandes Essen in die Online-Beratung eingestiegen. Im Kontext der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Kontaktbeschränkungen wird das Online-Angebot zu einer willkommenen und notwendigen Alternative zur Präsenzberatung. Doch auch unabhängig von Corona bietet die Online-Beratung laut Ljubas-Vranjković viele Vorteile, zum Beispiel für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind, für Frauen mit kleinen Kindern oder Alleinerziehende, die mit dem Online-Tool auch außerhalb der üblichen Bürozeiten einen Zugang finden. Die Beraterin stellt fest, dass die Klient_innen bei der Online-Beratung mehr gefordert werden, was für ihre Integration sehr zuträglich sei, da so viel leichter das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe umgesetzt werden könne.

"Ich wünsche mir, dass die Online-Beratung noch mehr genutzt wird. Es wäre jedoch sinnvoll, wenn sie einfacher handhabbar wäre", betont Ljubas-Vranjković. Die meisten der Online-Anfragen erhält sie von Personen, die sie bereits aus der Präsenzberatung kennt. Diese werden von ihr und ihrem Kollegen bei Bedarf anfangs telefonisch Schritt für Schritt durch das digitale Angebot gelotst, manchmal auch mit Hilfe eines Sprachmittlers, der per Telefonkonferenz zugeschaltet  wird. "Man muss schon etwas dafür tun, dass mehr Ratsuchende die Online-Beratung nutzen können. Ohne aktive Werbung für diese Form der Beratung hätten wir kaum Anfragen", erklärt die Beraterin. Der Caritasverband Gladbeck e.V. hat deswegen als Hilfestellung eine Anleitung zur Registrierung auf der Online-Beratungsplattform der Caritas in englischer und arabischer Sprache erstellt. Die Anleitung wurde an die Ratsuchenden ausgehändigt und in den Netzwerken verteilt. Seitdem haben die Registrierungen deutlich zugenommen.

Wie bringt man die Online-Beratung an die Leute?

Ihre Beratungsstelle werde zu etwa 80 Prozent von Menschen mit Fluchthintergrund aufgesucht, die nahezu alle ein Smartphone hätten, von denen aber viele dennoch nicht digital affin seien, erläutert Ljubas-Vranjković. Es mangele häufig an einfachen Schlüsselqualifikationen zur Nutzung digitaler Medien. Oft sei keine E-Mail-Adresse bekannt oder Passwörter würden vergessen, und ein Verständnis des Datenschutzes sei oft nicht gegeben. Deswegen plant ihre Beratungsstelle, nach dem Lockdown niederschwellige Schulungssequenzen zur Nutzung der Online-Beratung und anderer digitaler Medien anzubieten. Ljubas-Vranjković geht davon aus, dass die Online-Beratung noch mehr Ratsuchende erreichen wird, wenn die Technik weiterhin – an den Nutzer_innen orientiert – weiterentwickelt wird. So könnte es auch helfen, wenn die Online-Beratung als App angeboten würde.

Trotz der anfänglichen Hürden möchte sie die Online-Beratung nicht mehr missen: "Wenn sie einmal läuft, ist es eine schöne Sache." Für sie hat sich die Kombination aus Präsenz-, telefonischer und Online-Beratung bewährt. Viele Beratungsanliegen könnten digital und per Telefon schneller geklärt und somit die Präsenzberatung entlastet werden. Durch das Schreiben ihres Anliegens erkennen die Ratsuchenden laut Ljubas-Vranjkovic auch die eigenen Ressourcen. Das motiviere und bestärke sie in ihrer Selbständigkeit.
Der Deutsche Caritasverband e.V. ist ständig dabei, die Online-Beratung technisch weiterzuentwickeln. So soll die Registrierungsmaske bald in verschiedenen Fremdsprachen vorgehalten werden. Durch weitere Neuerungen – zum Beispiel Videonachrichten, Gruppenchat oder einen Direktlink zu Beratenden – soll die Nutzung zukünftig benutzerfreundlicher werden.

Weitere Informationen

Julia Gestrich
Foto: privat

Julia Gestrich ist Referentin für Migration und Integration beim Deutschen Caritasverband in Freiburg

Kontakt: julia.gestrich@caritas.de