Shitstorm-"Feuerwehr" will Betroffene unterstützen

Shitstorm-"Feuerwehr" will Betroffene unterstützen

Quelle: epd/Migazin

Eine neu gegründete gemeinnützige Organisation will künftig Betroffenen von Hasskommentaren im Netz helfen. Neben einer Beratung und psychologischer Hilfe stünden IT-Spezialisten und Rechtsanwälte bereit, sagte die Geschäftsführerin der Organisation "HateAid", Anna-Lena von Hodenberg, am vergangenen Donnerstag in Berlin.

Zur Finanzierung der Arbeit setzt die in Berlin ansässige Organisation auf das Solidarprinzip: Betroffene, die erfolgreich gegen Hass vorgehen und ein Schmerzensgeld erstreiten, spenden dieses wieder an "HateAid". Das Geld fließe vollständig zurück in die Prozesskostenfinanzierung. So sei es möglich, dass auch andere Betroffene gegen digitale Gewalt vorgehen können.

"Wenn Menschen im Netz gezielt andere mit Hass und Hetze einschüchtern und mundtot machen und eine Stimmung der Angst verbreiten, dann ist das eine Gefahr für unsere freie und offene Gesellschaft", sagte Hodenberg. Oft sei es nur eine kleine Minderheit von Usern, die für einen Großteil der Likes und Kommentare verantwortlich sei. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke habe gezeigt, wie Hass aus der digitalen Welt in die analoge Welt hinüberschwappen könne. Lübcke war wegen seines politischen Engagements Hasskommentaren und Bedrohungen im Netz ausgesetzt. Einer aktuellen Studie zufolge sind neben Politikern vor allem Migranten, Flüchtlinge und Muslime betroffen.

Hodenberg sieht bei der Strafverfolgung Nachholbedarf bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Hier fehle es oft noch an der notwendigen Bereitschaft und dem Wissen, gegen Beleidigungen und Bedrohungen im Netz vorzugehen. Rechtsanwalt Jan Christian Sahl betonte, digitale Gewalt sei oft strafbar. Dies müsse im Rechtsstaat Konsequenzen für die Täter haben: "Alles andere ist fatal für die Betroffenen und für unsere Demokratie." Dabei seien die Erfolgsaussichten, gegen die Täter vorzugehen, auf dem Weg der zivilrechtlichen Abmahnungen oft größer als über eine Strafanzeige, die oftmals zu einer Einstellung des Verfahrens führe.

Unterstützung erhält "HateAid" unter anderem von der Grünen-Politikerin und ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast. Es sei wichtig, Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht allein stehen, sagte die Politikerin bei der Gründungspressekonferenz der Organisation. Künast ist selbst wiederholt im Netz beleidigt und bedroht worden. Auch sie forderte die Justizbehörden auf, sich verstärkt mit dieser rechtlichen "Grauzone" zu beschäftigen."Wir müssen Hass benennen, zur Anzeige bringen und aus dem Internet nehmen", sagte der im Rollstuhl sitzende Inklusionsaktivist Raul Krauthausen. Er war gemeinsam mit weiteren Betroffenen von Shitstorms wie etwa die "Fridays for Future"-Aktivistin Luisa Neubauer zur Gründung von "HateAid" erschienen.

Hodenberg forderte die Bundesregierung auf, die Betreiber der Plattformen im Internet wie etwa Facebook "in die Pflicht zu nehmen": "Wenn Gesetze gebrochen werden, muss das Folgen haben." "HateAid" wurde den Angaben zufolge durch die Organisationen Campact und Fearless Democracy im Dezember 2018 initiiert. Nach einer Testphase soll jetzt auch in der Öffentlichkeit mit dem Beratungsangebot geworben werden.

Bislang seien rund 60 "emotional-stabilisierende Erstberatungen" von Betroffenen geleistet worden, sagte Hodenberg weiter. Zudem würden aktuell 55 Fälle zivilrechtlich verfolgt. Dabei wurden bisher zwei einstweilige Verfügungen und fünf Unterlassungserklärungen gegen Hass-Kommentare erwirkt, so Hodenberg.

"HateAid" arbeitet nach eigenen Angaben mit spezialisierten Kanzleien zusammen. Dabei werde zunächst versucht, die Täter zu ermitteln, um rechtliche Ansprüche etwa bei Persönlichkeitsverletzungen durchzusetzen. Wenn dies kein Erfolg habe, werde Strafanzeige bei der Polizei und dann ein Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Eine weitere Möglichkeit seien Auskunftsanfragen an die Social Media Plattformen. Allerdings würden diese Anfragen auch oft erst vor Gericht geklärt. Ziel sei eine Unterlassungserklärung, in der die Täter garantieren, "dass sie den Hass löschen und nicht weiterverbreiten und Schadensersatz in Form einer Geldstrafe".

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