Jahresrückblick: Rechtsextremismus setzt sich im Alltag fest

Jahresrückblick: Rechtsextremismus setzt sich im Alltag fest

Quelle: Bundesverband Mobile Beratung

Rechtsextremismus hat 2025 nahezu täglich für Schlagzeilen gesorgt. Doch was ist darüber hinaus passiert? Wie hat sich die extreme Rechte entwickelt? Und was haben demokratisch Engagierte dagegen unternommen? Der Jahresrückblick des Bundesverbands Mobile Beratung zeigt: Die Normalisierung des Rechtsextremismus ist in kürzester Zeit weit vorangeschritten. Menschen, die sich dagegenstellen, brauchen mehr denn je Unterstützung.

  • Die extreme Rechte hat sich im Alltag verfestigt: Die AfD ist zweitstärkste Kraft im Bundestag, kann mit weitaus mehr Geld und Personal die Politik beeinflussen und hofft erstmals auf eine Regierungsbeteiligung im Osten. Ihre neu gegründete Jugendorganisation ist noch enger mit dem rechtsextremen Vorfeld vernetzt als zuvor. Junge Neonazis – darunter auch 10- bis 12-Jährige – haben ihren Einfluss an Schulen ausgebaut, demokratische Mitschüler*innen eingeschüchtert und in lose organisierten, aber gewaltbereiten Gruppen politische Gegner*innen attackiert. Etablierte Neonazi-Strukturen haben versucht, die Jugendlichen an sich zu binden und eine neue Generation überzeugter Neo-Nationalsozialist*innen zu formen – teils mit Erfolg.
  • Ob in Schulen, Vereinen, Bündnissen oder Behörden: Demokratisch Engagierte gehen besorgt aus dem Jahr heraus. Angriffe auf ihre Arbeit gehen immer häufiger auch von demokratischen Politiker*innen aus, die viel beschworene "Brandmauer" zur AfD hat tiefe Risse und es ist deutlich schwieriger geworden, Rechtsextremismus zu problematisieren. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Unterstützung: Die Anfragen an die Mobile Beratung haben 2025 ein neues Rekordhoch erreicht. Auch die Intensität und Komplexität der Fälle hat zugenommen.
  • Über 200 Mobile Berater*innen in rund 50 Teams haben Engagierte bundesweit unterstützt. Zum Beispiel halfen sie Lehrkräften dabei, rechtsextreme Vorfälle aufzuarbeiten, klärten über das "Neutralitätsgebot" auf und unterstützten Verwaltungen dabei, Sicherheitskonzepte zum Schutz von Mitarbeitenden zu entwickeln. Viele Berater*innen berichten von einer enormen Arbeitsbelastung und sind zugleich überzeugt, dass es diese Arbeit aktuell mehr denn je braucht.
  • Inmitten aller Herausforderungen haben sich Menschen für Demokratie eingesetzt. Viele sind gerade jetzt motiviert, Haltung zu zeigen. Mit Protesten haben Engagierte rechtsextremen Veranstaltungen widersprochen, mit Festivals und Kulturveranstaltungen neue demokratische Räume geschaffen und an Schulen haben Lehrkräfte Formate erarbeitet, um demokratische Jugendliche zu stärken. Fakt ist aber auch: Wo die extreme Rechte besonders stark ist, waren Engagierte 2025 vor allem mit Abwehrkämpfen befasst.
  • Die Lage ist ernst und muss als ernst erkannt werden. Rechtsextremismus untergräbt unsere Demokratie und alle sind gefordert, sie zu verteidigen: mit Solidarität und Rückendeckung für marginalisierte Gruppen, mit Investitionen in Bildung und Jugendarbeit und mit einer verlässlichen Finanzierung der Opfer-, Ausstiegs- und Mobilen Beratung. Vier Wochen vor dem Jahreswechsel wissen die Beratungsstellen nicht, ob sie 2026 weiterarbeiten können. Noch gibt es keine Förderzusagen. Für Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie engagieren, bedeutet das eine unsichere Perspektive für das kommende Jahr.

Romy Arnold, Bundesverband Mobile Beratung und Mobile Beraterin in Thüringen: "2025 war ein Jahr mit vielen Rückschlägen. Die Normalisierung des Rechtsextremismus hat ein neues Ausmaß erreicht. Aber – und das ist die gute Nachricht – Engagierte haben weitergemacht. Sie haben die Demokratie vor Ort verteidigt, mit Mut und einer unglaublichen Ausdauer. Sie haben einmal mehr gezeigt: Wo Menschen zusammenstehen, können sie viel erreichen. Gegen Diffamierung, Druck und Verunsicherung hilft Aufklärung, Vernetzung und Austausch – dazu haben wir als Mobile Beratung beigetragen. Menschen, Institutionen und Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, sind das Rückgrat unserer Demokratie und sie brauchen dringend politische Unterstützung. Gerade jetzt, wo die extreme Rechte noch aufzuhalten ist."

Prof. Dr. Matthias Quent, Soziologe und Leiter des "Instituts für demokratische Kultur" an der Hochschule Magdeburg-Stendal: "Die vielen Krisen und Verunsicherungen sind Rückenwind für den erstarkenden Rechtsextremismus. Viele Menschen sind enttäuscht und verlieren das Vertrauen in demokratische Politik. Wenn dieses Vertrauen schwindet, stellt sich die Frage, was die Gesellschaft noch zusammenhält. Hier kommt die demokratische Zivilgesellschaft ins Spiel: Unsere Daten zeigen, dass mehr Menschen Nichtregierungsorganisationen vertrauen als der Bundesregierung und politischen Parteien. Eine vielfältige Zivilgesellschaft als gesellschaftlicher Kitt und als Plattform für die Aushandlung politischer Konflikte ist gerade in Krisen wichtig. Ihre Angebote und Räume müssen erweitert und in ihrer Unabhängigkeit gestärkt werden."

Theresa Donner, Buchhändlerin und Mitinitiatorin des „Wir-Festivals“ in Halle/Saale: "Wir haben das 'Wir-Festival' organisiert, weil wir die rechtsextreme Buchmesse nicht unkommentiert passieren lassen und auch die mediale Wahrnehmung mitbestimmen wollten. Zusammen wollten wir ein offenes, niedrigschwelliges Angebot schaffen und so viele Menschen wie möglich dazu einladen, sich zu positionieren und mitzumachen. Mit über 400 Veranstaltungen haben Menschen aus ganz Halle gezeigt, wie eine demokratische und vielfältige Stadtgesellschaft aussehen kann. Zivilcourage ist das Fundament einer offenen Gesellschaft und die erreicht man eher, indem man gemeinsam etwas aufbaut, statt nur 'dagegen' zu sein. Die Erinnerungen an das Festival sind bestärkend und machen Mut, gerade auch mit Blick auf das Wahljahr 2026."

Der Jahresrückblick mit dem Titel "Wie sich Rechtsextremismus im Alltag festsetzt – und Engagierte dagegenhalten" ist hier abrufbar.

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Jennifer Pross
presse@bundesverband-mobile-beratung.de
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