Private Unterbringung wirkt sich positiv auf Integration aus

Private Unterbringung wirkt sich positiv auf Integration aus

Quelle: Deutsches Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung

Die Hilfsbereitschaft in Deutschland nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine war groß – nun ist nachgewiesen, dass sie einen deutlichen Effekt auf das Ankommen und Einleben von Ukrainer*innen hatte. Welche Strategien lassen sich daraus für künftige humanitäre Krisen ableiten?

Ukrainische Geflüchtete, die in Deutschland privat von freiwilligen Helfer*innen aufgenommen wurden, waren ein Jahr nach ihrer Ankunft insgesamt besser integriert als ihre Landsleute, die in staatlichen Unterkünften oder selbst angemieteten Wohnungen lebten. Die Effekte zeigen sich vor allem im Bereich der sozialen, psychologischen und alltagspraktischen Integration und sind nicht abhängig von Geschlecht, Alter, Ausbildung oder Familienstand. Bei Sprachkenntnissen, Arbeitsmarkteingliederung und der Kenntnis politischer Themen im Aufnahmeland konnten nach einem Jahr keine Vorteile nachgewiesen werden.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie von Forscher*innen des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Zusammenarbeit mit Kollegen des University College London (UCL),  der ETH Zürich, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Immigration Policy Lab (IPL) an der Stanford University. Der Studie zugrunde liegen Daten von #UnterkunftUkraine (UU), einer der damals größten Plattformen für Privatunterbringung1, sowie einer Umfrage des Forschungsteams unter Geflüchteten. Die Forscher*innen verglichen die Integrationsfortschritte von Geflüchteten, die durch UU an Gastgeber*innen vermittelt wurden, mit Geflüchteten, die sich über die Plattform beworben hatten, aber nicht vermittelt wurden. Da sich beide Gruppen in keinem anderen Merkmal unterschieden, ließ sich nachvollziehen, dass die bessere Integration durch die Unterbringung bei privaten Gastgeber*innen bedingt ist.

Wie integriert ukrainische Geflüchtete im Sommer 2023 waren, hat das Forschungsteam mit dem international anerkannten IPL Integration Index IPL-12 gemessen. Er erfasst das Wissen und die Kapazität von Eingewanderten, um gut in der jeweiligen Aufnahmegesellschaft anzukommen. Dafür werden sechs Dimensionen betrachtet: die soziale, psychologische, alltagspraktische, sprachliche, wirtschaftliche und politische. Der Index lag bei Geflüchteten in Privatunterkünften deutlich über den Ergebnissen von vergleichbaren ukrainischen Geflüchteten, die anders untergebracht waren.
 
Häufiger Kontakt zu Gastgeber*innen ist zentraler Faktor
 
Was erklärt die Unterschiede? Die Forscher*innen zeigen, dass Geflüchtete mit häufigem Kontakt zu ihren Gastgeber*innen besonders hohe Integrationszugewinne verzeichneten. Der Untersuchung nach profitierten viele der Geflüchteten in Privatunterbringung von Hilfe bei Behördenangelegenheiten und Anträgen, Übersetzungen, Job- und Wohnungssuche, medizinischer Versorgung und Kinderbetreuung. Mehr als 60 Prozent der Befragten blieben bis zu vier Monate im Haushalt der Gastgeber*innen, mehr als 80 Prozent bezahlten nichts dafür. Die meistgeteilte Aktivität waren gemeinsame Mahlzeiten.
 
Während der Kontakt zu den Gastgeber*innen entscheidend für die Integration ist, hat deren Wohnort kaum Einfluss. Die Forscher*innen fanden heraus, dass Ukrainer*innen in Privatunterbringung in migrationsfreundlicheren oder wohlhabenderen Gemeinden nicht wesentlich mehr Zugewinne bei der Integration erzielen als solche in anderen Wohnlagen. Die Forscher*innen verglichen die Wohnorte der Gastgeber*innen etwa hinsichtlich durchschnittlicher Einkommen und Arbeitslosenquote, Hasskriminalität und Wahlergebnissen rechtspopulistischer Parteien.

Dr. Niklas Harder, Co-Autor der Studie und Co-Leiter der Abteilung Integration am DeZIM: "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Privatunterbringung ein wichtiger Baustein für die frühe Integration Geflüchteter ist. Mit Blick auf künftige Situationen ähnlich 2022 sollte sie deshalb von staatlicher und zivilgesellschaftlicher Seite gezielt gefördert und vorbereitet werden. Dazu gehört, die rechtlichen Rahmenbedingungen so anzupassen, dass nicht nur Ukrainer*innen Wahlfreiheit beim Aufenthaltsort haben und mehr Geflüchtete von Gastgeber*innen aufgenommen werden können. Gleichzeitig gilt: Freiwilliges Engagement kann die staatliche Versorgung unterstützen und entlasten, aber nicht ersetzen."

Hintergrund
Das Forschungsteam nutzte Daten von #UnterkunftUkraine (UU), einer der größten Non-Profit-Plattformen für Privatunterbringung in Deutschland und Europa. Mehr als 60.000 Ukrainer*innen konnten nach Angaben der Plattform mithilfe von UU untergebracht werden. Die UU-Daten wurden mit einer Umfrage der Forscher*innen unter 1700 Geflüchteten kombiniert. Die Befragten waren alle zwischen Februar und Juli 2022 in Deutschland angekommen und hatten sich bei UU registriert. Für die Studie wurde die Integration verschiedener Gruppen im Sommer 2023, also mindestens ein Jahr nach ihrer Ankunft, verglichen: derer, die über UU privat untergebracht wurden, mit jenen, bei denen das etwa aufgrund der hohen Nachfrage nicht gelang und die in staatlichen Einrichtungen und in selbst angemieteten Unterkünften lebten.

1Im Rahmen der 2022 erstmals aktivierten sogenannten EU-Massenzustromrichtlinie konnten Ukrainer*innen anfangs ihren Aufenthaltsort innerhalb Deutschlands frei wählen und somit auch Angebote privater Unterstützer*innen beliebig annehmen. Das unterschied ihre Situation deutlich von der jener Geflüchteten, die etwa 2015/16 als Asylsuchende ins Land kamen, und ermöglichte Privatunterbringungen in erheblich größerem Umfang als zuvor.

Die Ergebnisse wurden im Journal "Nature Human Behaviour" veröffentlicht.

Eine ukrainischsprachige Version dieser Pressemitteilung finden Sie hier.

Eine russischsprachige Version dieser Pressemitteilung finden Sie hier.

Infos
Kontakt

Angie Pohlers
Pressereferentin
Mail: presse(at)dezim-institut.de
Tel.: 030-200754-130