"Gut, dass es so viele Engagierte DAFÜR gibt!"

Die EKD-Ratsvorsitzende Bischöfin Kirsten Fehrs, Metropolit Augoustinos von Deutschland, der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing (v.l.), gestalteten den Gottesdienst.
"Gut, dass es so viele Engagierte DAFÜR gibt!"
Wortbeiträge aus dem Gottesdienst zum 50. Bestehen der Interkulturellen Woche

Ökumenischer Gottesdienst zum 50-jährigen Bestehen der Interkulturellen Woche

Freitag, 16. Mai 2025
Genezarethkirche Berlin

Begrüßung und Einführung

Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder,

ich begrüße Sie alle herzlich zu diesem Gottesdienst, mit dem wir in die Jubiläumsfeier der Interkulturellen Woche einsteigen. Auch im Namen von Herrn Metropolit Augoustinos und Frau Bischöfin Fehrs darf ich Sie alle herzlich willkommen heißen. Es ist schön, dass Sie alle heute hier nach Berlin in die Genezarethkirche gekommen sind und dass wir gemeinsam dieses Fest feiern können. Eine ganz besondere Freude ist es uns, Sie, verehrter Herr Bundespräsident, in unserer Mitte begrüßen zu dürfen. Danke, dass Sie gekommen sind und auch diesen Gottesdienst mit uns feiern!

Es ist gut, dass wir uns am Beginn unseres Festes Gott zuwenden und uns auf ihn ausrichten. Ihm bringen wir zunächst einmal unseren Dank für 50 Jahre Interkulturelle Woche. Als im Jahr 1975 die Evangelische Kirche in Deutschland, die Griechisch-Orthodoxe Metropolie und die Deutsche Bischofskonferenz den damals noch so genannten "Tag des ausländischen Mitbürgers" ins Leben riefen, konnte niemand ahnen, dass diese Initiative einmal einen Zeitraum von 50 Jahren überdauern würde. Und sie hat ja nicht nur 50 Jahre überdauert, sondern sie ist gewachsen und hat sich als Interkulturelle Woche zu einem breiten zivilgesellschaftlichen Netzwerk entwickelt. Dafür haben wir heute allen Grund, Dank zu sagen.

Ein zweites: Wenn wir heute am Beginn unseres Festes mit Gott in Verbindung treten, dann bekennen wir uns zu ihm als unserem Schöpfer und Vater, und wir erleben uns untereinander als Geschwister. Diese Geschwisterlichkeit verbindet uns mit allen Menschen in unserem Land und in allen Ländern der Erde. Jede Einzelne und jeden Einzelnen kennt er und hat er in sein Herz geschlossen. Und er sorgt sich um sie und uns alle wie eine gute Mutter und ein guter Vater. So motiviert uns die lebendige Beziehung mit Gott immer wieder neu zu einem respektvollen Umgang mit jedem Menschen und zu einem guten interkulturellen Miteinander.

Und drittens schenkt uns die Begegnung mit Gott und seinem Wort Mut und Zuversicht. Es fügt sich gut, dass unser heutiges Fest mitten in die österlich geprägte Zeit zwischen Ostern und Pfingsten fällt. Das ist die Zeit, in der wir Gott in besonderer Weise als den Gott des Lebens feiern, als den Sieger über den Hass und alles Böse. Wenn wir das aktuelle Weltgeschehen und die Tagespolitik auf uns wirken lassen, sind wir manchmal geneigt, depressiv zu werden. Das ist aber nicht die Perspektive Gottes. Die österliche Botschaft des auferstandenen Christus ist eine Botschaft der Hoffnung und Zuversicht in allen Lebenslagen. Die Begegnung mit ihm gibt uns Kraft, uns unermüdlich einzusetzen für die Anerkennung der Würde jedes Menschen, für gegenseitigen Respekt, für Verständigung und Frieden. Der Gott des Lebens geht mit uns. Mit seiner Hilfe dürfen wir rechnen. Ihm können wir vertrauen.

Predigt

Bischöfin Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Und sie waren alle an einem Ort beisammen…
wie schön, dass wir an diesem Ort beisammen sind, lieber, verehrter Herr Bundespräsident, liebe Geschwister, um diesen besonderen Geburtstag zu feiern! 50 Jahre interkulturelle Woche – das ist eine begeisternd lange Geschichte von Orten und Menschen aller Nationen, Konfessionen und Religionen, die entschieden friedensfindig die Gemeinsamkeit gesucht haben – und gefunden. Wenn ich mich zurückversetze, dass in meiner norddeutschen Kindheit die herausragendste interkulturelle Errungenschaft der Hot Dog an der dänischen Grenze war! Und dann der erste Besuch im diversen Hamburg – eine andere Welt! Diese Welt zum Reichtum zu machen, ist man 1975 konsequent aufeinander zugegangen, inspiriert von einem Geist der Verständigung, der dem gegenseitig Fremden offen begegnet, auch um sich mit dem Unterschied zu befreunden. Herzlichen Glückwunsch allen, die damals damit angefangen und mit weitem ökumenischen Herzen Gastfreundschaft gewährt haben – wissend, dass es auch der gedeckte Tisch ist, der Menschen in ihrer Suche nach Zugehörigkeit Heimat finden lässt. Sind wir doch alle gleichermaßen Ebenbild Gottes, die an diesen Tisch gehören. Ein Friedensmahl für die Völker! Eine wunderbare Verheißung von Gott, unserem großen Gastgeber, die tatsächlich vor Ort – an vielen Orten in den 50 Jahren! – Wirklichkeit wurde.

Alle waren sie beieinander an einem Ort – so beginnt auch unser Predigttext, ebenfalls eine Geburtstagsgeschichte. Geschehen vor 2000 Jahren, just in Jerusalem. Pfingsten. In furchtbar kritischer Zeit erblickt die Kirche der Hoffnung das Licht der Welt. Ehrlich, kein Mensch hatte damit gerechnet. Mit Aufbruch. So herrlich unzögerlich! 

Denn Sie müssen sich vorstellen: Jesus war just gen Himmel gefahren. Endgültig nicht mehr da. Und so sitzen seine Anhänger:innen verzagt und Jesus-seelenallein da in ihrem kleinen dunklen Haus. Stickig ist es, es riecht nach Schweiß und Traurigkeit. Die Ungewissheit der Zukunft nagt an ihrem eh schon abgestandenen Hoffnungsmut. Als wäre damals schon heute gewesen – mit all den Krisen und dem Elend, den Kriegen. 

Plötzlich fegt ein Wind durch die Tür, wirbelt alle durch- und zueinander. Endlich Luft! Licht!  Ja, der Geist der Wahrheit! Klar doch! Auf einmal erkennen die Jünger:innen: Christus ist nicht im Himmel, abgetaucht in irgendeiner Cloud. Er ist mitten unter ihnen. Denn so vieles ist ja in ihnen lebendig. In ihrem Glauben, ihren Erinnerungen! Hier im Herzen sind seine Worte. Seine Wärme. Und so erzählen sie es sich gegenseitig, predigen quasi, aufgeregt, alle gleichzeitig, begeistert.  Und dann – dann verstehen sie sich auch noch! In all ihren Muttersprachen. Arabisch, Aramäisch, Syrisch, keine Grenzen trennen mehr. Völkerverständigung in Windeseile. Liebessturm statt Hasswüten. Endlich findet die Sehnsucht der Menschen eine Sprache. Eine Sprache für unwürdige Verhältnisse. Zärtliche Gefühle. Und für die Ehrlichkeit.  chaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen

Pfingsten, liebe Geschwister, erzählt davon, dass Menschen frei werden, dass sie aufatmen und ihr Herz weit wird. Ergriffen von geistreichem Liebesmut, der der Dummheit des Hasses den Marsch bläst. Ja, ergriffen von dieser Friedensvision, höher als  alle Vernunft, die natürlich weiß um all die Unglücklichen und Elenden, die weiß um den Ungeist heutiger Despoten, die sich selbst zum Gott über Leben und Tod erheben. Aber sie atmet auf, unbeirrt, befreit, diese Hoffnung der Sehnsüchtigen, die die Liebe für die eigentliche Macht in dieser Welt hält. Trotz allem.  
Und genau deshalb ist Pfingsten die Geburtstagsgeschichte für 50 Jahre Interkulturelle Woche.  Denn auch hier kommt es ja untrennbar zusammen: der Geist, der Spirit Gottes und das internationale Miteinander der Vielen, der Geist des Gemeinsamen, der die Vielfalt liebt. 

Damals nötig, heute womöglich noch nötiger. Die vielen lokalen Initiativen der Interkulturellen Woche im ganzen Land zeigen es: Sie alle hier sind mit Ihrer beeindruckend kreativen Arbeit und Ihrem unermüdlichen Engagement wunderbare Role Models für eine gesegnete vielfältige Gemeinschaft! Gerade jetzt, wo Gräben, Spaltungen, wo Disruption und Zerstörung unsere Alltagswelt bestimmen, sind wir auf diese Vielfalt und heilende Kraft der Nächstenliebe angewiesen. Gut, dass es so viele Engagierte DAFÜR gibt!! 

Denn das ist ja schon genial: Dass just zum 50. genau das zum Motto erhoben wurde: DAFÜR. Es gibt vieles, wogegen wir uns aufstellen wollen oder müssen – aber "Dafür" dreht die Perspektive. Und dieser Perspektivwechsel auf den Reichtum der Vielfalt hat die Interkulturelle Woche immer ausgezeichnet. Denn an welchem Ort auch immer, wir brennen doch dafür, für eine Gesellschaft, die die Würde und das Recht jedes einzelnen Menschen, unabhängig von Herkunft oder Aussehen oder Fähigkeiten verteidigt. 

Für unser Land, in das fast jeder dritte Mensch eine Migrationsgeschichte einbringt und das dadurch vor allem stark geworden ist. 

Für unsere Demokratie, die wir noch immer als die beste Staatsform verstehen, aber die alles andere als selbstverständlich ist. 

Für das Grundrecht auf Asyl, das niemals zur Disposition stehen darf, gerade in unserem Land nicht. Ein Grundrecht der Menschlichkeit, Leute, schon aus biblischer Tradition nicht verhandelbar.

Dafür – das möchten wir sein, Menschenfreunde, die um Gottes Willen den Mut haben, begeistert verschieden und tapfer versöhnt zu sein. DANKE DAFÜR.

Alle an einem Ort. Pfingsten, liebe Geschwister, überwinden deshalb Menschen Grenzen, weil sie die Gemeinschaft wollen! Siehe Interkulturelle Wochen. Denn es ist doch klar, dass wir gemeinsam reisen in dieser Welt und dabei aufeinander angewiesen sind. Als Gottes geliebte, vielfältige Menschheitsfamilie. Übrigens von allem Anfang so geschaffen – ganz normal in Gottes Augen also die Vielfalt! Vielfalt ist das unaufgeregt Normale, nicht die Ausnahme.  Stellt euch vor: Gott wollte immer schon eine Migrationsgesellschaft!

Gut also, gemeinsam an diesem Ort den 50. Geburtstag feiern – und nachher vom Friedensmahl der Völker zu kosten. So lasst uns die 50-jährige weiter in die Welt tragen, als Wächterin, Hüterin, Freundin für die Friedensfindigkeit – geboren im Frieden Gottes, höher als alle Vernunft. Er bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen  

Sendungsworte und Segen

Metropolit Augoustinos von Deutschland, Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz

Unser Gottesdienst geht zu Ende und mit ihm enden auch die ersten fünf Jahrzehnte für die Interkulturelle Woche in unserem Land. Als Zeitzeuge der Gründung vor 50 Jahren, dem die besondere Gnade geschenkt wurde, in dieser ganzen Zeit unsere Interkulturelle Woche begleiten zu dürfen, darf ich, bevor wir um den Segen Gottes bitten, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen fünf Jahrzehnten ein tief empfundenes Dankeschön sagen.

Ein Gottesdienst ist keine Auswertung eines Projekts, keine Evaluierung oder Bilanz. Er justiert vielmehr die Dinge neu. Jeder Gottesdienst in allen unseren Kirchen und Religionsgemeinschaften versucht dies: den Bezug zu unserem Gott wieder neu zu entdecken und wiederherzustellen. Auch dieser Gottesdienst hat uns an die Ebenbildlichkeit aller Menschen erinnert, dass also jeder Mensch das ewige Bild Gottes in sich trägt. Für uns Christinnen und Christen ist das der Ausgangspunkt unseres interkulturellen Handelns, also auch der Interkulturellen Woche. Man hat zu Recht behauptet, dass wir das Paradies auf Erden verloren haben. Die Sehnsucht aber nach dem Paradies, das heißt nach der Verwirklichung unserer Gottesnähe und unserer Ähnlichkeit mit dem Bild Gottes, lebt in uns weiter. Das ist für die Christinnen und Christen gleich welcher Konfession der wahre Ursprung und die tatsächliche Bestimmung des Menschen, das ist die Kultur, die uns alle verbindet. Wir sind dankbar in einem Land zu leben, das diesen Gottesbezug nicht verloren hat, und werden weiter in diesem Land dafür tätig sein. Und – ganz persönlich gesprochen – bin ich froh, dass die Idee, die wir vor 50 Jahren hatten, weiterlebt und neue, frische Kräfte an ihrer Realisierung weiterarbeiten. Als orthodoxer Christ und Bischof meiner Kirche darf ich hinzufügen: Wir waren dabei und wir bleiben dabei! Dazu segne uns Gott.

Die Segensworte stammen aus dem 2. Korintherbrief.

Ἡ χάρις τοῦ Κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ Χριστοῦ καὶ ἡ ἀγάπη τοῦ Θεοῦ καί Πατρὸς καὶ ἡ κοινωνία τοῦ Ἁγίου Πνεύματος εἴη μετὰ πάντων ὑμῶν. 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes des Vaters und die Gemeins

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Ökumenischer Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche
Telefon: 069 / 900 196-30
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