Flucht, Asyl, Teilhabe: Entscheidungen der EKD-Synode

Flucht, Asyl, Teilhabe: Entscheidungen der EKD-Synode
Die Kirchenversammlung traf bei ihrer jüngsten Sitzung wichtige Beschlüsse, etwa zur Situation an den EU-Außengrenzen, zu Pushbacks oder zum "Spurwechsel"
Johannes Brandstäter

Die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland hat bei ihrer Tagung vom 6. bis 9. November in Magdeburg mehrere wegweisende Empfehlungen zur Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft und zur Aufnahme Geflüchteter in Deutschland und Europa gefasst. Alle Beschlüsse sind hier zu finden.

Der vielleicht weitgehendste Beschluss betrifft die Gleichstellung und tatsächliche Teilhabe Eingewanderter (in der folgenden Aufstellung unter Nr. 4). Ihr Rückstand an Teilhabe soll durch positive Maßnahmen ("positive Diskriminierung") ausgeglichen werden können. Ihr Anteil in der Beschäftigung im öffentlichen Dienst soll erhöht werden – die EKD will dies auch in den eigenen Strukturen erreichen.

Die Anträge wurden weitgehend einstimmig angenommen. Im Einzelnen sind es die folgenden Beschlüsse:

  1. Menschenrechtslage an den Außengrenzen der EU. Die Synode ruft auf, dass es keine weiteren Einschränkungen des Asylrechts gibt, um das gemeinsame europäische Asylsystem nicht weiter auszuhöhlen, und die EU-Mitgliedstaaten sich bei den politischen Verhandlungen an den positiven Erfahrungen bei der Aufnahme der Ukrainer*innen orientieren.
  2. Situation von Geflüchteten. Die Synode bittet die Bundesregierung, Asylverfahren unter Wahrung der Prozessrechte der Betroffenen, am besten durch eine Wiederangleichung an das Allgemeine Verwaltungsrecht, zu beschleunigen. Im Rahmen der Einwanderungsgesetzgebung soll Geflüchteten ein "Spurwechsel" ermöglicht werden. Die völkerrechtswidrige Praxis der Pushbacks von Geflüchteten an den EU-Außengrenzen soll skandalisiert werden.
  3. Bundesaufnahmeverfahren für gefährdete Afghan*innen. Die EKD soll sich bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass das Bundesprogramm ausreichend und langfristig finanziert wird, Zivilgesellschaft daran beteiligt ist und weitere sichere Fluchtwege geschaffen werden, auch für den Nachzug von Familienangehörigen.
  4. Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankern. Die Synode der EKD begrüßt die Schaffung eines Partizipationsgesetzes. Sie will die Schaffung verbindlicher Zielgrößen zur Vertretung von Menschen aus Einwanderungsfamilien gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil im Öffentlichen Dienst, in den Ministerien, in sämtlichen Bereichen der Verwaltung, Gremien des Bundes und den Sozialversicherungen und in der Personalvertretung. Die evangelische Kirche strebt Entsprechendes auch in ihren eigenen Strukturen an. Die Möglichkeit von ausgleichenden Positiven Maßnahmen ("affirmative action") zur Gleichstellung ist daher im Grundgesetz zu verankern, wie dies auch bei der Gleichstellung von Mann und Frau in Art. 3 Abs. 2 GG der Fall ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf den Beschluss zu Antidiskriminierung und Gewaltprävention.

Hintergrund:
Die Synode der EKD ist neben Rat und Kirchenkonferenz eines der drei Leitungsorgane der EKD. Sie tagte vom 6. bis 9. November in Magdeburg. Nach der Grundordnung der EKD besteht die 13. Synode aus 128 Mitgliedern. Zu den Aufgaben der Synode zählen die Erarbeitung von Kundgebungen und Beschlüssen zu Fragen der Zeit sowie die Begleitung der Arbeit des Rates der EKD durch Richtlinien. Die Synode berät und beschließt aber auch den Haushalt und die Kirchengesetze. Geleitet wird die Synode vom Präsidium unter dem Vorsitz von Präses Anna-Nicole Heinrich. Sie ist zugleich Mitglied des 15-köpfigen Rates der EKD. Vorsitzende des Rates der EKD ist Annette Kurschus. Die EKD ist die Gemeinschaft von 20 lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen. 19,7 Millionen evangelische Christinnen und Christen in Deutschland gehören zu einer der 12.900 Kirchengemeinden. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Synode.

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Johannes Brandstäter
Foto: ÖVA

Johannes Brandstäter arbeitet beim Zentrum Migration und Soziales der Diakonie Deutschland im Arbeitsfeld Migrationspolitische Grundsatzfragen. Außerdem ist er Mitglied im Ökumenischen Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche.

Kontakt: johannes.brandstaeter@diakonie.de

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